Suizidalität

Suizide in Deutschland: Zahlen, Ursachen, Prävention

Jährlich mehr 10.000 Suizide in Deutschland

In Deutschland sterben jedes Jahr mehr 10.000 Menschen durch Suizid. Rund 75 Prozent davon sind Männer. Das Risiko für Suizid nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Das durchschnittliche Alter von Menschen, die durch Suizid versterben, liegt bei etwa 58 Jahren – mit einer tendenziell weiter steigenden Entwicklung. Die Bedeutung dieses Themas wird oft unterschätzt: Die Zahl der durch Suizid Verstorbenen ist höher als die Zahl der Todesfälle durch Verkehrsunfälle, AIDS, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen.

Suizidversuche als Ausdruck seelischer Not

Neben den vollendeten Suiziden wird die Zahl der Suizidversuche in Deutschland auf mindestens 100.000 pro Jahr geschätzt. Besonders häufig betreffen Suizidversuche jüngere Menschen und Frauen. Viele dieser Handlungen sind Ausdruck großer innerer Verzweiflung und können als Hilferufe verstanden werden. Sie sind stets ernst zu nehmen, da sie auf das Vorliegen schwerwiegender psychischer Belastungen hinweisen. Etwa ein Drittel der Betroffenen unternimmt nach einem ersten Versuch einen weiteren. Rund jede zehnte Person, die einen Suizidversuch unternommen hat, stirbt später durch Suizid. Die Forschung geht heute davon aus, dass eine Unterscheidung in „ernsthafte“ und „nicht ernsthafte“ Suizidversuche nicht sinnvoll ist – jeder Versuch ist ein bedeutsames Warnsignal.

Psychische Erkrankungen sind ein Risikofaktor

Das Risiko für Suizid ist bei Menschen mit psychischen Erkrankungen deutlich erhöht. Besonders häufig stehen Suizide in Verbindung mit Depressionen, Schizophrenie, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben etwa vier Prozent der Menschen mit affektiven Störungen durch Suizid. Bei Menschen mit Schizophrenie liegt die Rate bei rund fünf Prozent, bei Alkoholabhängigkeit bei etwa sieben Prozent und bei bipolaren Störungen bei etwa acht Prozent. Wenn mehrere dieser Erkrankungen gleichzeitig vorliegen, steigt das Risiko deutlich. Gleichzeitig gilt: Nicht jeder Mensch mit Suizidgedanken leidet an einer psychischen Erkrankung. Umgekehrt ist nicht jede psychisch erkrankte Person akut suizidgefährdet.

Weitere Risikofaktoren und Lebensumstände

Über die klinischen Diagnosen hinaus gibt es eine Reihe gesellschaftlicher und biografischer Faktoren, die mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden sein können. Männer sind generell stärker betroffen, ebenso Menschen im höheren Lebensalter. Auch Personen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung sowie junge Frauen mit Migrationshintergrund tragen im Durchschnitt ein erhöhtes Risiko. Darüber hinaus können belastende Lebensereignisse wie der Verlust einer nahestehenden Person, schwere körperliche Erkrankungen oder tiefgreifende soziale Veränderungen wie Arbeitslosigkeit oder Inhaftierung Suizidgedanken auslösen. Oft reicht schon die Angst vor solchen Ereignissen aus, um eine seelische Krise in Gang zu setzen. Dennoch ist wichtig zu betonen, dass selbst das Vorhandensein mehrerer Risikofaktoren nicht automatisch auf eine konkrete Suizidgefährdung schließen lässt. Suizid entsteht aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren – keine einzelne Ursache ist allein ausschlaggebend.

Schweigen aus Angst – Suizidalität wird oft nicht erkannt

Suizidgedanken werden von den Betroffenen häufig verschwiegen – selbst dann, wenn sie sich in ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung befinden. Studien zeigen, dass viele Menschen vor einem Suizid noch einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen, ohne dass die Suizidgefährdung erkannt wird. Die Gründe für das Schweigen sind vielfältig. Viele Menschen befürchten, nicht ernst genommen zu werden oder soziale Kontakte zu verlieren. Andere haben Angst, als psychisch krank abgestempelt zu werden oder durch eine Zwangseinweisung ihre Autonomie zu verlieren. Oft besteht auch die Überzeugung, dass niemand helfen kann oder dass das eigene Leiden nicht verstanden wird. Diese Ängste entstehen meist aus der psychischen Belastung heraus und stellen ein wesentliches Hindernis für frühzeitige Hilfe dar.

Suizidprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Trotz der Komplexität des Themas ist Suizidprävention möglich. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm versteht sie als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die weit über das Gesundheitswesen hinausgeht. Eine besonders wirksame Maßnahme ist die Einschränkung der Verfügbarkeit tödlicher Suizidmittel. Dazu gehört beispielsweise die Sicherung von Brücken oder Bahnanlagen, der kontrollierte Zugang zu Medikamenten oder der Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Ebenso bedeutsam ist die Verfügbarkeit von niedrigschwelligen Hilfsangeboten und die frühzeitige Erkennung psychischer Erkrankungen und Krisen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Fortbildung von Fachkräften im medizinischen und psychosozialen Bereich. Vor allem aber braucht es eine Gesellschaft, in der offen über Suizid gesprochen werden kann, ohne Schuldzuweisungen oder Stigmatisierung.

Behandlungsmöglichkeiten und therapeutische Perspektiven

Suizidalität ist behandelbar – vorausgesetzt, die betroffene Person erhält Zugang zu angemessener Unterstützung und ist bereit, Hilfe anzunehmen. Je nach individueller Problemlage kann die Behandlung ambulant oder stationär erfolgen. Häufig beinhaltet sie eine Kombination aus psychotherapeutischer und gegebenenfalls medikamentöser Behandlung. Dabei wird der psychotherapeutische Dialog grundsätzlich als bedeutsam angesehen – auch dann, wenn eine psychiatrische Erkrankung vorliegt. Ziel ist es, gemeinsam mit der betroffenen Person neue Perspektiven zu entwickeln, Hoffnung zu stärken und Wege aus der Krise zu eröffnen. Besonders herausfordernd ist es oft, suizidgefährdete Menschen überhaupt davon zu überzeugen, dass professionelle Hilfe möglich und sinnvoll ist.

Medien haben Verantwortung – Berichten kann schützen oder gefährden

Die Berichterstattung über Suizide beeinflusst das Verhalten in der Bevölkerung. In vielen Studien wurde ein sogenannter Werther-Effekt beobachtet: Wenn prominent über Suizide berichtet wird, kann es zu einer Zunahme von Suiziden mit ähnlichem Muster kommen. Nach dem Tod des Fußballspielers Robert Enke stiegen die Suizidzahlen in Deutschland nachweislich an – und zwar sowohl direkt nach seinem Tod als auch erneut nach der Gedenkfeier. Das bedeutet jedoch nicht, dass über Suizide nicht berichtet werden darf. Entscheidend ist die Art und Weise der Berichterstattung. Medien sollten auf die Darstellung von Suizidmethoden verzichten und stattdessen über Hilfsangebote informieren. Empfehlungen für einen suizidpräventiven Umgang mit dem Thema finden sich im Medienportal des Nationalen Suizidpräventionsprogramms.

Suizid trifft viele – auch das Umfeld leidet

Ein Suizid hat weitreichende Auswirkungen auf das Umfeld. Laut Weltgesundheitsorganisation sind im Durchschnitt mehr als sechs Menschen direkt von jedem Suizid betroffen. Dazu zählen nicht nur enge Angehörige, sondern auch Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Mitschülerinnen und Mitschüler. Auch Menschen, die beruflich mit dem Thema konfrontiert sind – etwa Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Einsatzkräfte der Polizei oder Feuerwehr – erleben häufig seelische Belastungen. Der Trauerprozess nach einem Suizid ist oft von Schuldgefühlen, Scham und sozialer Isolation begleitet. Er kann viele Jahre andauern und ist häufig schwerer als bei anderen Todesursachen. Es ist daher entscheidend, dass auch die Hinterbliebenen und das weitere soziale Umfeld Unterstützung erhalten und ohne Angst über ihre Erfahrungen sprechen können.

Informationen über die aktuellen Suizidzahlen finden Sie hier: Suizide in Deutschland